Mattia Iannaccone
Der neue Vespa Club Olten stellt sich vor
Der neue Stadtrundgang «Mit Olten gross werden – eine Kindheit im 19. Jahrhundert» beleuchtet die jungen Jahre von Max von Arx (1857-1933), dem späteren Mitbegründer der Stadtbibliothek sowie des historischen Museums und einstigen Chefarzt des Kantonsspitals.
Olten Bei schönem Frühlingswetter fanden am Sonntagmorgen, 6. April, gut 30 Personen den Weg zum Haus der Museen, von wo aus der rund 90-minütige Stadtrundgang über die Kindheit von Max von Arx, durchgeführt von Historikerin Christine Wüest, in Angriff genommen wurde. Die Veranstaltung, von der «Eugénie Koenig-von Arx»-Stiftung in Auftrag gegeben, gewährte aber nicht nur Einblick in das Leben des Protagonisten der Führung, sondern auch in das Stadtleben aus dieser Zeit. «Um 1850 umfasste Olten eine Wohnbevölkerung von 1634 Personen. 1888, als sich der gut 30-jährige Max nach seiner Ausbildung wieder in Olten eingerichtet hatte, waren es bereits 4899 Personen», berichtete Christine Wüest. Hauptauslöser für diese Bevölkerungsexplosion war die Eröffnung des Bahnhofs im Jahr 1856.
Max' Grossvater, Johann von Arx, war seinerzeit Wirt vom Gasthaus Krone, in welchem sich heute der McDonalds befindet. Und in besagter Krone sei gemäss Christine Wüest nicht nur Max' Vater Alexander, sondern um ein Haar auch Max selbst geboren worden. Denn Alexander von Arx und dessen Frau Elise Büttiker von der gleichnamigen Gerberei wohnten auch nach der Heirat noch in der elterlichen Krone, als sich das erste Kind ankündigte. Doch wie Max später festhalten sollte, war sein Vater, der noch im Aufbau seiner Arzttätigkeit steckte, anderweitig beschäftigt:
«Geboren ward ich am Abend (ca 8 Uhr) des 12. Mai 1857. Mein Vater war an diesem Abend nach dem Tunnelbau am Hauenstein berufen worden. In seiner Abwesenheit erblickte ich das Licht der Welt und zwar in der Gerbe im Hammer, wohin sich meine Mutter, als sie das Nahen eines grossen Ereignisses fühlte, bei der Abreise meines Vaters geflüchtet hatte.»
Auch die Tage danach blieb für Alexander jedoch kaum Zeit für Vaterfreuden: Zwei Wochen nach der Geburt ereignete sich beim Durchstich des Hauensteintunnels ein schlimmer Unfall, bei welchem über 60 Menschen starben und bei dem Max' Vater erneut vor Ort war, um zu helfen.
Weiter ging der Rundgang in Richtung «Winkel». Dieser sei vor der Eröffnung des Bahnhofs das einzige bestehende Quartier auf der rechten Aareseite gewesen, so Christine Wüest. In diesem habe die junge Arztfamilie von Arx 1958 zuerst in einem Haus zur Miete, direkt vis-à-vis vom Zollhaus, gelebt. Mit der Entstehung des Bahnhofs seien um 1860 schliesslich auch die ersten Gebäude an der Bahnhofstrasse (die Strasse unmittelbar neben dem heutigen Gleis 1) entstanden, wozu auch die neu gebaute Villa von Alexander von Arx gehörte. «Der geräumige Garten führte bis an die Aare und liess viel Raum zum Spielen», erklärte Christine Wüest, was sie mit einem Bild von damals eindrücklich belegte. Dort, wo sich also der Garten befand, fahren heute rege Fahrzeuge über den Bahnhofquai.
Als Max sechs Jahre alt war, verstarb seine Mutter. Eine Zeit, die Max rückblickend als schwierig beschrieb und mit der auch sein Vater überfordert schien. So sei es denn auch der einzige Lebensabschnitt gewesen, in welchem Max Schläge von seinem Vater erhalten habe. Der Vater schien den Verlust dann aber schnell auf eine andere Art verarbeitet zu haben: Bereits zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau heiratete er 1965 erneut, was dazu führte, dass Max zwei Halbgeschwister bekam.
Die Primarschule besuchte Max an der 1840 erbauten Kirchgasse 10, in welcher sich aktuell das Haus der Fotografie befindet. Seine Klasse habe aus 62 Schülerinnen und Schülern bestanden, so Christine Wüest. Die Schulzeit sei Max in bester Erinnerung geblieben und auch das künstlerische Talent schien ihm in die Wiege gelegt worden zu sein, wie Zeichnungen aus seinen jungen Jahren belegen.
Ein besonderes Highlight sei für Max stets das Schulfest mit dem Kadettenmanöver gewesen. Überhaupt habe ihn das Militärische ein Leben lang begeistert. «Er war später Militärarzt und machte militärische Karriere. Und von seiner Zeit als Chefarzt im Kantonsspital erzählt man sich, dass die Patienten, die dazu in der Lage waren, bei der Chefarztvisite im Nachthemd in militärischer Achtungstellung vor den Betten Spalier stehen mussten», schmunzelte Christine Wüest. Doch zurück zum Schulfest: 1868 ereignete sich für den damals 11-jährigen Max von Arx ein ganz besonderes «Highlight»: Durch einen fehlgeleiteten Schuss habe er einen Lungendurchschuss durch einen Schaftsplitter erlitten. Nachdem er von seinem Vater versorgt wurde, sei die Verletzung aus dem Manöver fortan sein ganzer Stolz gewesen.
Just auf die Fertigstellung des Hübeli-Schulhauses sollte Max eigentlich an die Bezirksschule übertreten. Doch das Weltgeschehen funkte dazwischen, 1870 brach der Deutsch-Französische Krieg aus und auch die Schweiz befürchtete, in das Kriegsgeschehen einbezogen zu werden: «Im alten Schulhaus an der Kirchgasse wurden Truppen einquartiert, der General und der Generalstab belegten das neue, noch nicht bezogene Hübeli-Schulhaus in Olten und der Schulunterricht blieb somit aus», erzählte Christine Wüest.
Kurze Zeit später folgte mit dem Tod von Max' Vater mit 43 Jahren durch eine Lungenentzündung der nächste Schicksalsschlag für den nun 13-Jährigen. Überhaupt prägten Krankheiten das Leben in der Kleinstadt stark. «Zwei Tage nach dem Tod des Vaters überschritt die von den Deutschen abgedrängte, französische Bourbaki-Armee die Schweizer Grenze. Sie wurde entwaffnet und teils auch in Olten interniert», erläuterte Christine Wüest die Geschehnisse der Zeit. Die Verpflegung, Unterbringung und Pflege sei für die Stadt eine Herausforderung gewesen. Viele der Internierten seien an den ansteckenden Pocken erkrankt, zumal ein Krankenhaus oder eine Krankenstation nicht existiert habe.
Mit dem Friedensschluss 1871 konnte Max schliesslich endlich die Bezirksschule absolvieren, 1874 folgte der Gang ans Gymnasium in Aarau. Als jedoch auch noch seine Stiefmutter verstarb, wurde Max mit 17 Jahren von der Waisenbehörde bei einer Familie in Aarau platziert. In den Ferien sei er aber weiterhin in Olten bei seiner «Gerbi»-Grossmutter gewesen, wo er in der Landwirtschaft mithalf. Eine Zeit, die er als paradiesisch beschrieb.
Mit der Studienzeit trat Max von Arx schliesslich in die Fussstapfen seines Vaters und studierte Medizin in Zürich, später auch in Leipzig und Heidelberg, ehe er 1882 sein Studium mit dem Staatsexamen abschloss. Als Max indes nach weiteren Berufserfahrungen in Graubünden und St. Gallen 1884 nach Olten zurückkehrte, war dies nicht mehr das Olten, welches er in Erinnerung hatte. Inzwischen wurde die Gäubahn und der Bahnhof Hammer eröffnet und neu verband nebst der Holz- auch die Bahnhofbrücke die beiden Stadtseiten. Einfacher zurechtfinden konnte sich Max gemäss Christine Wüest indes mit seiner neuen Stelle am 1880 eröffneten Kantonsspital, an welchem er später wie erwähnt Chefarzt wurde. Und auch sonst sollte er als Mitbegründer der Stadtbibliothek, des Historischen Museums und weiteren Tätigkeiten zahlreiche Spuren in der Dreitannenstadt hinterlassen. Es böte sich also durchaus noch viel Stoff für Stadtrundgänge der weiteren Lebensabschnitte von Max von Arx.
Die nächsten Stadtrundgänge zu Max von Arx' Kinder- und Jugendjahren finden am Donnerstag, 12. Juni, 19 Uhr, und Sonntag, 21. September, 16 Uhr statt. Start beim Haus
der Museen. Eine Anmeldung ist nicht notwendig, die Teilnahme ist kostenlos.
David Annaheim
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