Reto Fink
Weshalb sich eine Mitgliedschaft beim Verein KMU & Gewerbe Gäu lohnt
Ehe es im März zum erneuten Abstimmungs-Showdown über die Zukunft des Oltner Krematoriums kommt, führt der Verein «Ausbruch» im Januar inszenierte Führungen unter dem Titel «Gestorben wird immer» inklusive Sarg-Probeliegen im Krematorium Meisenhard durch. Einmal mehr zeigt sich: Der Umgang mit dem Tod bewegt die Menschen auf ganz unterschiedliche Art und Weise.
Olten Ziel des Vereins «Ausbruch» ist es, mit Theaterproduktionen in Gefängnissen und Krematorien die Sichtbarkeit dieser Orte in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken. Das Krematorium Meisenhard ist nach den Krematorien Liebenfels Baden und Nordheim Zürich das dritte, an welchem derartige Vorstellungen durchführt werden.
Dass die Inszenierungstermine auf den Januar kurz vor der Volksabstimmung über die Zukunft des Krematoriums fallen, sei purer Zufall, wie Annina Sonnenwald, Initiantin des Vereins, am Donnerstag letzter Woche vor Ort im Krematorium sagt: «Eigentlich wollten wir die Produktion bereits früher durchführen, mussten sie aber wegen anderer Theaterproduktionen verschieben.» Kommt hinzu, dass die Stadt ursprünglich geplant hatte, die Volksabstimmung im November 2023 durchzuführen. Dies war jedoch nicht möglich, da bereits der 2. Wahlgang für den Ständerat auf diesen Termin fiel. Die Daten für die Inszenierungen standen indes schon länger im Voraus fest.
«Uns geht es mit ‹Gestorben wird immer› primär darum, zu zeigen, wie der Betrieb im Krematorium abläuft», erklärt Sonnenwald. An den Anlässen selbst werden die Anwesenden gruppenweise durch das Krematorium geführt. Es gibt drei Posten: den Ofen, die Bestattung und die Abdankungshalle.
Beim Posten «Ofen» wird der Prozess des Kremierens anhand der Verbrennung eines (leeren) Sarges vom Personal des Krematoriums vorgeführt. Beim Posten Bestattung erklärt die Oltner Bestatterin Astrid Stäbler-Wyss, Geschäftsführerin des Bestattungsdienstes «Drei Tannen Olten», ihre tägliche Arbeit und steht den Teilnehmenden Rede und Antwort für offene Fragen. Beim Posten «Abdankungshalle» dürften die Meinungen auseinandergehen, ob der Inhalt für eine Abschiedsstätte angebracht ist: Die Teilnehmenden können es sich dabei nämlich in Särgen gemütlich machen und einer Performance beiwohnen. Ein bisschen Graf Dracula spielen? Ist dies nicht pietätlos? «Von zögerlich bis zum Selfie machen – die Teilnehmenden verhalten sich ganz unterschiedlich, wenn sie mit der Situation konfrontiert werden», erklärt Annina Sonnenwald. «Bei unserer ersten Produktion in einem Krematorium hatten wir erst einen Sarg zum Probeliegen und stellten fest, dass viele Leute Interesse zeigten, sich einmal reinzulegen und zu erleben, wie sich das Ganze anfühlt. Später waren es dann bereits 25 Särge, die bereitlagen. Es wird aber niemand dazu gezwungen und es stehen auch Stühle bereit. Zudem ist uns bewusst, dass eine derartige Produktion nicht für alle geeignet ist. Wer etwa kürzlich jemanden verloren hat, dem fehlt sicherlich die emotionale Distanz.»
Am Ende der inszenierten Führung bietet sich schliesslich an einem Apéro die Gelegenheit, sich untereinander über das Erlebte auszutauschen.
Es ist zwar das erste Mal, dass im Krematorium inszenierte Führungen organisiert werden, «normale» Führungen habe es aber auch schon gegeben, wie Krematoriumsmitarbeiter Beda Wernli mitteilt: «Wir haben beispielsweise jedes Jahr eine Klasse aus Rümlingen, der wir im Rahmen des Religionsunterrichts das Krematorium zeigen.»
Vor Ort im Krematorium wird gerade eine verstorbene Person kremiert. Angehörige sind keine anwesend. «Nur wenige Hinterbliebene haben den Wunsch oder die Kraft dabei zu sein, wenn der Sarg in den Ofen geführt wird, da es ein sehr emotionaler und auch schmerzhafter Moment ist», erklärt Bestatterin Astrid Stäbler-Wyss. «Es gibt auch Hinterbliebene, welche die verstorbene Person nicht aufgebahrt sehen möchten. Oft hilft es aber, einen Tag darüber zu schlafen, ehe eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Wieder etwas bei Kräften, möchten sich dann viele doch nochmals verabschieden – auf Wunsch auch in Begleitung von mir.»
Als die Anfrage kam, bei der geführten Inszenierung mitzuwirken, musste die Bestatterin für die Zusage nicht lange überlegen. Seit 22 Jahren geht sie ihrem Beruf nach und ist daher eng mit dem Krematorium Meisenhard verbunden. Der Anlass biete eine gute Gelegenheit, ohne emotionale Betroffenheit die Personen kennenzulernen, welche vor Ort arbeiten. «Damit man weiss, dass man gut aufgehoben ist, sollte man dereinst eine nahestehende Person verlieren», so Stäbler-Wyss. Angehörige würden beim Prozess rund um einen Todesfall oder die Kremation vieles erwarten, aber eines meistens nicht: Freundlichkeit und Verständnis. «Wir wollen mit dem Anlass zeigen, dass genau das Gegenteil der Fall ist.»
Anfang Januar werden die Betriebszeiten des Krematoriums aufgrund der bevorstehenden Pensionierung von Leiter Peter Kempf von fünf auf vier Tage reduziert. Wird im März an der Urne die vom Stadtrat favorisierte Variante angenommen, sind die Tage des Ofens definitiv gezählt und nur die Abdankungshalle wird erneuert. Wird die zweite Variante inklusive neuem Ofen angenommen, sieht der Fahrplan vor, dass im Januar 2025 Baubeginn ist und der neue Ofen ein Jahr später in Betrieb genommen wird. In diesem Fall erfolgt im März 2024 eine kleine Revision, damit der Betrieb bestenfalls bis Baubeginn aufrechterhalten werden kann. Werden beide Varianten abgelehnt, muss der Stadtrat über die Bücher und einen neuen Lösungsvorschlag ausarbeiten. Auch in diesem Fall würde der Betrieb des Ofens in absehbarer Zeit eingestellt, da die Arbeitssicherheit der Mitarbeitenden laut Auskunft der Baudirektion nicht mehr lange garantiert werden könne. Bis zur Betriebseinstellung seien aber trotz reduzierter Betriebszeiten genügend Kapazitäten vorhanden.
Welche Konsequenzen hätte eine Stilllegung der Ofenlinie in Olten für die hiesigen Bestattungsdienste und Hinterbliebene? «Einerseits nimmt der Stress für die Angehörigen zu, wenn Kremationen nicht länger in Olten durchgeführt werden. Die Kosten für die Überführungen würden steigen, wenn diese unter Umständen an verschiedene Standorte erfolgen müssen», erklärt Astrid Stäbler-Wyss. «Anderseits ist der psychologische Aspekt für die Region Olten nicht zu unterschätzen. Aktuell wissen Trauernde, dass sich die verstorbene Person auf dem Meisenhard befindet, wo sie in wenigen Minuten erreichbar ist. Bei einer Stilllegung befindet sich die geliebte Person dann halt einfach an einem fremden Ort in einem anderen Kanton, wenn nicht bereits beim ersten Kontakt mit einem Bestatter explizit eine Aufbahrung in Auftrag gegeben wurde.»
«Gestorben wird immer»: Die inszenierten Führungen finden jeweils am Donnerstag und Freitag, 11./12./18./19. Januar um 18.30 Uhr statt. Weitere Infos zum Verein «Ausbruch», den inszenierten Führungen sowie Tickets finden Sie unter www.ausbruch.ch
David Annaheim
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