Thomas A. Müller
Lostorfs Gemeindepräsident blickt zurück auf das Jahr 2024
Samstag, 25. Januar 2025
Am 26. März fand in Olten das 19. Forum Strasse statt. Mit 400 Teilnehmenden ist das Forum nach wie vor eine der bedeutendsten, wiederkehrenden Strassenbau-Fachtagungen im deutschsprachigen Raum.
Olten Die Dekarbonisierung umfasst sämtliche Tätigkeiten des Menschen, welche eine Reduktion der Treibhausgase zum Ziel hat. Der Begriff umfasse also mehr als nur die Abkehr von fossilen Brennstoffen, erläuterte der Organisator Dr. Christian Angst in seinen Keynotes. Als Leitsubstanz der Treibhausgase dient das CO2. Es werden neue Möglichkeiten und Technologien gesucht und entwickelt, um auf allen Ebenen Fortschritte bezüglich der Reduktion der Emissionen zu erzielen. Bertrand Piccard hat dies mit seiner Piranha-Theorie treffend formuliert: «Es gibt keine grosse Lösung, die alles verändern kann, aber viele kleine Lösungen können dies. Wird man von einer Piranha gebissen, passiert nichts, wird man jedoch von 1000 Piranhas gleichzeitig gebissen, ist man schnell ein Skelett.»
Diverse Bauherren haben bei öffentlichen Ausschreibungen einen Paradigmenwechsel vollzogen und berücksichtigen soziale und ökologische Kriterien bei der Bewertung von Offerten. Wie Pedro Lopez (Tiefbauamt Kanton Freiburg) ausführte, ist beispielsweise der Kanton Freiburg bereit einer teureren Offerte den Vorrang zu geben, wenn nachweislich Vorteile bei der Nachhaltigkeit vorliegen. Es werden sogar Angebote ausgeschlossen, falls minimale Vorgaben nicht erfüllt werden.
Um das vom Bundesrat deklarierte Netto-Null-Ziel zu erreichen genügt es nicht, den CO2–Ausstoss zu reduzieren; denn bei vielen Prozessen verbleiben unvermeidbare Rest-emissionen, welche aus der Atmosphäre zu entfernen sind. Gefragt sind Negativ-Emissions-Technologien NET, welche CO2 abscheiden und entweder unterirdisch speichern oder nutzen. So zeigte Dr. J. Tiefentaler (Neustark AG), wie CO2 aus Biogasanlagen in Betongranulat (aus Betonabbruch) eingebunden werden kann und in der Bauindustrie Anwendung findet. Eigentlich besteht die Idee in der Nutzung der Karbonatisierung, einem Prozess, dem jede Betonoberfläche in Kontakt mit Luft ausgesetzt ist. Das CO2 wird dabei mineralisiert und somit dauerhaft eingebunden. Pro Tonne Betongranulat können zwar lediglich 10 kg CO2 eingebunden werden, dank der grossen Mengen rechnet man jedoch pro Anlage mit bis zu 1000 Tonnen CO2 pro Jahr. Eine derartige Anlage steht übrigens in Biberist. Gemäss Auskunft der Betreiber derartiger Anlagen wird das behandelte Betongranulat vorwiegend zur Herstellung von Beton verwendet.
Die Zementherstellung verursacht ca. 8 % der weltweiten Treibhausgase; die Industrie ist sich dessen bewusst. Es sind zahlreiche Innovationen für CO2-arme Zemente in der Entwicklung oder bereits auf dem Markt. All diese Zemente können nur mit einem reduzierten Klinkeranteil hergestellt werden, was sich negativ auf deren Alkalität auswirkt, wie Prof. Ueli Angst darlegte. Da der Korrosionsschutz der Bewehrungseisen auf der Alkalität des Betons beruht, ergibt sich ein Zielkonflikt zwischen tieferem CO2-Ausstoss und Dauerhaftigkeit. Angst zeigte verschiedene Ansätze, um diesen Zielkonflikt zu lösen. Interessant war auch die Feststellung, dass Korrosionsschäden an Infrastrukturen in der Schweiz Kosten von 1'000.- Franken pro Minute verursachen.
Seit einigen Jahren wird mit dem Zusatz von Pflanzenkohle im Asphalt gearbeitet, denn bereits 2 % «Biochar» (Pflanzenkohle) führen dazu, dass der Asphalt eine negative CO2-Bilanz ausweist, wie Roland Christen (InfraTrace) aufzeigte. Zudem werden Verbesserungen der Eigenschaften der Strassenbeläge erzielt. Christen ist allerdings der Meinung, Pflanzenkohle hätte in der Landwirtschaft eine grössere Berechtigung. Für den Einsatz im Asphalt sieht er eher Pyrolyse-Kohlenstoff aus anderen Abfällen, womit auch das Problem der geringen Verfügbarkeit von Pflanzenkohle gelöst wäre. Wie aus der anschliessenden Fragerunde klar wurde, kann mit Biochar deutlich mehr (Faktor 5) CO2 gespeichert werden, als mit der Mineralisierung in Abbruchbeton. Denkbar wäre auch eine Kombination der Mineralisierung und der Verwendung von Biochar. Die Stadt Basel hat als erster Bauherr damit begonnen, Biochar systematisch in Strassenbelägen zu verwenden.
Dr. Nicolas Bueche breitete die gesamte Palette an heute bereits bestehenden Möglichkeiten aus, um Emissionen im Tiefbau zu reduzieren. Bei den Baustoffen stehen sowohl ein maximales Recycling sowie Nieder-Temperatur-Asphalte an vorderster Front. Gerne verwies er auf ausländische Erfahrungen mit Kaltasphalt, bei denen der Energieverbrauch noch tiefer liegt. Die Schweiz hat diesbezüglich noch Potential. Bei der Aufbereitung von Asphalt ist in den letzten Jahren bereits sehr viel passiert, um die Emissionen zu reduzieren, erwähnt seien Optimierung der Brenner, Wärmedämmung, sowie alternative Energien. Beim Transport und Einbau sind Walzen mit Elektromotoren auf dem Markt, wie auch Thermosilos mit Ausstoss-Vorrichtung, mit denen eine homogene Verteilung der Temperatur erreicht wird. Schliesslich legte Bueche grossen Wert auf die Verlängerung der Nutzungsdauer der Strassenbeläge und verwies dabei auf die Bestrebungen des ASTRA. Das Bundesamt will den zwar teureren Gussasphalt, welcher zudem bei der Herstellung mehr Emissionen verursacht häufiger einsetzen, denn dessen Nutzungsdauer ist erwiesenermassen deutlich länger. Daher weist der Gussasphalt bei Lebenszyklus-Analysen LCA günstigere Werte aus.
Nach 19 Durchführungen übergab der Gründer Dr. Christian Angst die Organisation der weiteren Fachtagungen an Dr. Nicolas Bueche. Bueche hat bei der IMP Bautest AG als CO-CEO die Leitung F & E übernommen und ist als ehemaliger Prof. einer FH bestens qualifiziert. Angst bedankte sich bei den Teilnehmern für ihre grosse Treue und wünschte dem Forum für die Zukunft alles Gute.
pd
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